Phasen der Mediation
Jede Mediation hat zum Ziel, dass die Konfliktpartner:innen eine Lösung für ihr Konfliktthema finden können. Hierzu lohnt es sich, den Konfliktgegenstand gemeinsam so zu untersuchen, dass die Zusammenhänge für alle nachvollziehbar werden. Dazu eignet sich eine Orientierung an unterschiedlichen Phasen. Grundsätzlich unterscheide ich sieben Phasen, wobei die erste und letzte nicht zum aktiven Mediationsprozess gehören, jedoch wichtige Bestandteile einer Mediation sind: Sowohl eine gute Vorbereitung als auch eine gute Nachbereitung tragen zum Erfolg bei.
Die Darstellung unten dient der Orientierung. Keiner der Konfliktpartner:innen muss diese Phasen vorab kennen. Es ist die Aufgabe der Mediator:innen, den Ablauf einer Mediation (z.B. in Form solcher Phasen) und auch die Prinzipien einer Mediation jedem näher zu bringen und dafür zu sorgen, dass diese auch verstanden werden konnten.
Das Heidelberger Modell* bildet dabei die Grundlage meiner Mediationen.
Die Phase V ist die Vorbereitung. Sie dient der ordentlichen Auftragsklärung zwischen Auftraggeber:in und Mediator:in, beinhaltet terminliche und örtliche Absprachen sowie ggf. die Erstellung/Annahme eines Angebots. Anders als in privaten Mediationen, sind in der Wirtschaftsmediation und in Mediationen im Arbeitskontext Auftraggeber:innen oft nicht die Konfliktpartner:innen selbst. Auftraggeber:innen angemessen in den Mediationsprozess einzubeziehen, ist auch Teil einer guten Vorbereitung. Je nach Konfliktkonstellation dauert diese Phase wenige Tage bis wenige Monate, sodass eine Mediation oft zügig beginnen kann.
Der aktive Mediationsprozess beginnt mit Phase 1. Alle Teilnehmenden treffen hier meistens erstmals gemeinsam mit der Mediatorin zusammen. Die Teilnehmenden lernen die der Mediation zugrundeliegenden Prinzipien und das Mediationsverfahren kennen. Die Prinzipien werden ausführlich besprochen und dabei auch erste Ableitungen für das konkrete Mediationsverfahren getroffen: Beispielsweise wird vereinbart, wie die Vertraulichkeit im konkreten Prozess gewährleistet wird. Auch können die Konfliktpartner:innen ihre Fragen an das Verfahren stellen und ihre grundlegenden Sichtweisen auf den Konflikt beschreiben.
Ziel ist es, für alle Beteiligten einen verlässlichen Prozessrahmen zu schaffen. Im Grunde wird ein Arbeitsbündnis geschaffen, das meistens auch schriftlich festgehalten wird. Dadurch kann sich jeder zu jeder Zeit vergewissern, was gemeinsam verabredet wurde.
In Phase 2 werden die dem Konflikt zugrundeliegenden Themenbereiche gemeinsam entwickelt. Ziel ist, dass alle Teilnehmenden einen Überblick über die zu klärenden Themen haben. In der Vorbereitung für die nächste Phase werden diese Themen gemeinsam in eine zu bearbeitende Reihenfolge gebracht. Spätestens am Ende der Phase 2 wird eine Eingangsvereinbarung getroffen, in der die für die einzelnen Konfliktpartner:innen wichtigen Aspekte für das Verfahren festgehalten werden. Sie dient im weiteren Verlauf der Orientierung, insbesondere im Zusammenhang mit den später im Prozess erarbeiteten Lösungen.
Jedes Thema aus dem vorherigen Schritt wird in Phase 3 einzeln bearbeitet. Im Fokus stehen dabei sowohl die themenbezogenen Informationen, rechtlichen, ökonomischen und wirtschaftlichen Aspekte als auch die persönlichen Interessen und Bedürfnisse. Diese Phase gilt als Herzstück einer Mediation, weil sie die zur eigenverantwortlichen Streitbeilegung vorausgesetzte Transparenz schafft. Anders ausgedrückt: Die Gründe, weshalb die Konfliktpartner:innen überhaupt einen Konflikt haben, werden ans Licht gebracht und für alle verständlich formuliert. Oft wird in diesem Zusammenhang von "Erhellen" gesprochen, was so viel bedeutet, dass der Konflikt - oder ein Teilaspekt des Konfliktes - von den unterschiedlichsten Perspektiven her betrachtet wird und so die Beweggründe der einzelnen Personen sichtbar gemacht werden.
Nach dem Bearbeiten des Themas in Phase 3 werden auf der gemeinsam erarbeiteten Grundlage Lösungsoptionen entwickelt. Phase 4 steht also ganz im Zeichen von ersten konkreten Veränderungsschritten. Die von allen zusammengetragenen Optionen werden im Anschluss von jedem bewertet und konkretisiert, um sie ggf. schrittweise einer passenden Lösung zuführen zu können, die im Sinne aller Konfliktpartner:innen ist. Im Laufe der Zeit können auch mehrere Teil-Lösungen entstehen. Sie werden dann als "Gesamtlösungspaket" noch mal betrachtet und auf Machbarkeit und Sinnhaftigkeit hin abgeklopft. So kann sichergestellt werden, dass niemand im Laufe des Prozesses etwas zusagen muss, was sich im späteren Verlauf als vielleicht untragbar oder nicht machbar herausstellt.
Phase 5 beginnt mit einer Gesamtschau aller bearbeiteten Themen und gefundenen Teil-Lösungen. Es wird besprochen, ob die Ergebnisse als Gesamtlösung zufriedenstellend sind und den Interessen und Bedürfnissen der einzelnen Konfliktpartner:innen entsprechen. Vereinbarungen, verabredete Maßnahmen etc. werden in einem Lösungspaket fixiert, schriftlich festgehalten und - ggf. nach einer Überprüfung durch Externe (Rechtsanwälte, Sachverständige o.ä.) - von allen unterschrieben. Auch hier wird angemessene Zeit gegeben: Niemand unterschreibt eine Vereinbarung, hinter der er nicht vollständig steht.
Ebenso wird thematisiert, wie das Ergebnis umgesetzt und kommuniziert wird. Mit einem solchen "Memorandum" endet idR der aktive Mediationsprozess.
Phase N dient der Ergebnissicherung. Je nach Fallkonstellation sind hier unterschiedliche Dinge wichtig. Möglicherweise braucht es ein verabredetes Treffen nach ein paar Wochen, um eventuelle Anpassungen/Ergänzungen vorzunehmen, oder auch die Unterstützung bei der Umsetzung der Maßnahmen im Arbeitsumfeld. Letzteres kann insbesondere nach Wirtschaftsmediationen helfen, die Ergebnisse in die verschiedenen Bereiche des Unternehmens zu kommunizieren und die veränderte Konfliktfähigkeit der ehemaligen Konfliktpartner:innen in die Organisation zu integrieren. Ähnliches kann bei einer Schulmediation gelten. Bei einem Nachbarschaftsstreit kann es beispielsweise sinnvoll sein, die umliegenden Nachbarn in geeigneter Weise in das Ergebnis einzubeziehen. Wie und ob eine solche Phase sinnvoll ist, hängt stark vom Thema, dem Konfliktumfeld und dem Mediationsprozess ab.
Die oben beschriebenen Themen sind Teil einer jeden Mediation. Die konkrete Ausgestaltung der Phasen jedoch unterscheidet sich je nach Konfliktkonstellation. Dass das Verfahren der Mediation auf geeignete Weise durchgeführt und die Prinzipien beachtet werden, obliegt der dritten Person, der Mediator:in.
*Heidelberger Institut für Mediation, Lis Ripke.